Es ist fast 80 Jahre her, dass sich William Vogt, Naturschutzbeauftragter im Bundesstaat New York und der Agrar- und Forstwissenschaftler Norman Borlaug aus Iowa in der US-Agrarforststation im mexikanischen Hochland treffen.
Beide treibt die Sorge um, dass das rasante Bevölkerungswachstum die Armut und Unterernährung verschlimmern wird. Borlaug ist auf dem Weg, eine bedeutend ergiebigere und anpassungsfähigere Weizensorte zu züchten. Doch der Ökologe William Vogt warnt vor dem Optimierungsinteresse einzelner Pflanzen. Er sieht den Zusammenbruch des ökologischen Gleichgewichts voraus. Vogt hat eine andere Idee, der drohenden Hungerkrise entgegentreten: Er möchte Futteranbauflächen einsparen durch fleischärmere Ernährung. Seine Devise: „Esst Pflanzen, bevor sie durch Rinder- und Schweinemägen wandern“. Doch die Bedenken werden nicht gehört und Borlaugs Konzept setzt sich durch. Ab 1960 steigen die Weizenerträge dadurch weltweit. Borlaug wird als Vater und Zauberer der grünen Revolution gefeiert und bekommt 1970 für seine Leistungen den Friedensnobelpreis. Erst Jahrzehnte danach erkennt man den Preis, den die Menschheit für das „Wundergetreide“ bezahlen musste. In für Schädlinge anfälligen Monokulturen angebaut, benötigen die Felder viel Wasser und einen immensen Einsatz von synthetischen Düngern und Pflanzenschutzmitteln.
Heute wissen wir, dass der Pestizideinsatz und die Ausmergelung der Böden mitverantwortlich ist für die Klimakrise. „Man kann nur spekulieren“, so die Autorin C. Grefe, „ob mehr oder weniger Menschen gehungert hätten, wenn sich Vogts Genügsamkeitsappelle durchgesetzt hätten. Wahrscheinlich wäre aber der Boden heute fruchtbarer, die Ernährung vielfältiger, das Artensterben geringer und der Planet grüner und kühler.“
Heute jedenfalls sei den „Zauberern“ unter unseren schlauen Köpfen dringend geraten, den Vorhersagen der „Propheten“ Glauben zu schenken. (nach ZEIT 40/2024)