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10.10.2021 - 28. Sonntag im Jahreskreis - 

Gott hat die Frau nicht aus des Mannes Kopf erschaffen, dass er ihr befehle;
noch aus seinen Füßen, dass sie seine Sklavin sei;
vielmehr aus seiner Seite, dass sie seinem Herzen nahe sei.

aus dem Talmud, einer frühjüdischen Auslegung der Schöpfungserzählung

Liebe Leserin, lieber Leser!

im Talmud, einer frühen jüdischen Auslegung der Schöpfungserzählung von Mann und Frau, werden die gängigen Interpretationen und Einstellungen: „die Frau als Zweitgeschaffene ist deshalb auch zweitklassig und weniger wert; die Frau aus dem Manne genommen ist ihm deshalb auch untergeordnet;…“ Lügen gestraft. So predigte es Lea Franz bei ihrer Hochzeit, die sich dabei auf die Forschung ihres Bamberger Professors Bieberstein bezog.

Bei älteren Schöpfungsmythen anderer Kulturen zur Entstehungszeit der biblischen wird der Mensch erschaffen, um für die Götter zu arbeiten: Sie wollen sich ein schönes Leben machen und brauchen dazu die Menschen, die ihnen helfen müssen.

Ganz anders in der Bibel: Gott erschafft den Menschen um seiner selbst willen. Gott fordert nichts von ihm, sondern sorgt im Gegenteil für ihn und gibt ihm noch einen schönen Platz zum Wohnen und Tiere, damit er nicht einsam ist. Der Mensch darf einfach da sein.

Doch die erste Version der Schöpfungserzählung muss Gott noch überarbeiten, denn er erkennt, dass dem Menschen etwas fehlt: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.“

Gott merkt, dass seine Schöpfung nicht perfekt ist, weil das Alleinsein nicht dem Wesen des Menschen entspricht, muss er sein Werk verbessern.

Auch die Tiere sind keine ebenbürtige Hilfe für den Menschen. Es muss eine Hilfe auf Augenhöhe sein. Erst der zweite Mensch, der aus demselben Material wie der erste geschaffen wird, entpuppt sich als diese ebenbürtige Hilfe.

Dabei ist es kein Nachteil, dass einer später als der andere auftaucht; ja, es wird dem Menschen, der zuerst da war, sogar zum Segen, dass der zweite noch geschaffen wird.

Erst jetzt, als es beide gibt, wird eine Zweiteilung „Mann - Frau“ aufgemacht, um die beiden zu unterscheiden. Das Wortspiel, dass „issa“ - die Frau - aus dem „is“ - dem Mann - genommen wurde, lässt sich im Deutschen nicht abbilden.

Jetzt ist das Paradies endlich perfekt. Wir haben zwei Menschen, die sich gegenseitig Hilfe sind, die gleichberechtigt miteinander umgehen, die nichts voreinander verstecken müssen und sich vor dem anderen nicht schämen brauchen. Und diese beiden stehen auch noch unter dem Schutz Gottes, dem es wichtig ist, dass der Mensch Gemeinschaft und Unterstützung von anderen erfährt.

Die biblischen Texte bleiben nicht so unbeschwert: für die ersten Menschen endet das Paradies, nachdem sie vom Baum der Erkenntnis gegessen haben.

Und so verläuft auch unser Leben und Zusammenleben heute nicht immer so harmonisch.

Natürlich schämen wir uns manchmal voreinander, versuchen wir Sachen zu verbergen oder zumindest zu schönen, verweigern wir anderen - sogar unserem Partner oder unserer Partnerin - nötige Hilfe oder bekommen sie nicht so, wie gewünscht vom anderen.

Diese menschlichen Unzulänglichkeiten sollen uns gar nicht entmutigen.

Die Schöpfungserzählung zeigt uns nämlich zwei Dinge: Sie zeigt uns einerseits, wie das Paradies aussehen könnte, so dass wir uns zumindest so oft wie möglich darum bemühen sollen. Ein solches gleichberechtigtes, unverstelltes Verhältnis in der Partnerschaft wäre äußerst wünschenswert. Und theoretisch wissen wir ja durch die Schöpfungserzählung auch, wie es geht. Doch in Partnerschaften werden sicher auch die Erfahrungen gemacht, die an diesem Anspruch scheitern und es nicht immer schaffen, diesen paradiesischen Zustand herzustellen. Die Schöpfungserzählung lehrt, dass Gott sich trotzdem um uns kümmert und uns nicht aufgibt. Wir Menschen sind ihm nicht egal. Was für ein Gedanke, der weiter hilft.

Einen schönen Sonntag und einen guten Start ins neue Schul- und Ausbildungsjahr wünscht
Ihr Pfarrer Nikolaus Hegler

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