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21.07.2024 - 16. Sonntag im Jahreskreis - Auf einem Meditationsblatt des Alt-Bischofs von Innsbruck, Reinhold Stecher, stehe folgende Gedanken:

„Hie und da entrinne ich meiner Stadt für einige Stunden – und wenn ich dann von der Nordkette hinunterschaue auf das brodelnde Häusermeer, dann kommt mir zum Bewusst-sein, wie laut die Welt ist, die wir uns gebaut haben. Alles ist laut: Motoren, Maschinen, Lautsprecher, Lichter, Farben, Reize! Wir haben das Dasein zur Diskothek gemacht. Wenn ich mich aber umdrehe und in die Bergketten, in die Wände und Täler des Karwendel horche, dann weht mich die Stille an. Wenn ein Stein fällt, dann wird der Ton wie eine Kostbarkeit, wie ein seltenes Ereignis im Echo weitergereicht. Ist uns schon einmal aufgefallen, dass unsere Straßenzüge und Häuserschluchten kein Echo kennen? Das gilt aber nicht nur für die äußere Welt, das gilt auch für die Seele des modernen Menschen. In uns kann nichts mehr nachhallen. Die Eindrücke, Reize und Erlebnisse überschlagen sich. Da kann nichts mehr ausschwingen. Und so sind nicht nur unsere Trommelfelle lärmbeschädigt, sondern auch unsere Herzen. Der Mensch verliert die Dimension der Tiefe. Die Berge aber schweigen. Noch schützen und wahren sie – nicht immer erfolgreich – die Stille. Die Stille aber war immer die Vorhalle der Religion, der Teppich, der ausgebreitet werden muss, damit man darauf beten kann.“

Ich glaube, Bischof Stecher hat Recht. Der moderne Mensch steht in der Gefahr, dauernd Eindrücke in sich aufzunehmen, die Seele aber kommt nicht nach, sie zu verarbeiten. Was halten wir alles auf Handys fest, legen ganze Erinnerungsarchive an – und trotzdem ist eine echte Erinnerungskultur, die von Höhepunkten des Lebens oder überstandenen Tiefpunkten gespeist wird, verloren gegangen. Wir haben gelernt, auf Festplatten Dateien und Wissen zu speichern, aber ob wir all diese Informationen überhaupt noch bewältigen, geschweige denn verarbeiten können, das steht auf einem ganz anderen Blatt.

Die Seele des modernen Menschen scheint zäher und widerstandsfähiger, die vielen Informationen auszuhalten oder scheint geschickt im Verdrängen zu sein. Aber ob wir uns auf Dauer da nicht täuschen? Ob wir uns dadurch nicht um eine echte Qualität von Leben bringen? Ob der moderne Mensch überhaupt noch die Kostbarkeit von Erlebnissen spüren und auskosten kann, wenn er sie unbearbeitet stehen lässt und schon wieder auf etwas Neues schielt? Da kann sich kein Nachklang entwickeln, da klingt der Ton des Erlebten nicht mehr nach.

Der Ton einer Klangschale macht es uns vor. Nur wenn ich genügend Zeit lasse, den Ton in der Stille nachklingen zu lassen, kann er sich entfalten und wirken.

Ob wir die Sucht nach ständig neuen Reizen und Erlebnissen nicht mit dem Verlust von Erlebnistiefe und Erlebnisnachhaltigkeit bezahlen und letzten Endes dadurch menschliche Tiefe verlieren?

Das ist die entscheidende Anfrage des Evangeliums vom Sonntag. Da kommen die Apostel, die Jesus ausgesandt hatte, wieder zurück und überschlagen sich förmlich, ihm zu erzählen, was sie auf ihrer aufregenden Missionsarbeit alles erlebt haben. Aber die Leute wollen schon wieder etwas von ihnen. Neue Erlebnisse, neue Anforderungen stehen vor der Tür. Und da will Jesus einen Freiraum schaffen, damit das Erlebte nachklingen kann. In die Tiefe sollen die vielen Eindrücke gehen. Die Apostel sollen an einem einsamen Ort in sich hineinhorchen und auf das Echo achten, das die vielen Erlebnisse in ihnen auslösen.

Ins hier und heute will Jesus sagen: Wenn es sich der Mensch nicht erlaubt, Erlebtes wie ein Echo nachklingen zu lassen, sich tiefer setzen zu lassen, dann wird der Mensch zu einem
oberflächlichen Erlebnisjäger oder sogar zu einem Gehetzten. Nicht die Häufigkeit oder die Größe eines Erlebnisses bringen das Gefühl von Bereicherung und Tiefe ins Leben, sondern
der Mut, auf das Echo des Erlebnisses zu achten.

Eine gesegneten Sonntag und eine gute Woche wünscht für das Seelsorgeteam
Diakon Alexander Fuchs

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