03.11.2024 - 31. Sonntag im Jahreskreis - vgl. Lk 7,11-17 Evangelium an Allerseelen
Liebe Leserin, lieber Leser!
Sterben und Tod sind für uns nur schwer zu akzeptieren. Im Sterben und im Tod erkennen wir unsere ganze Hilflosigkeit. Wir sind dem ausgeliefert: Es gibt für uns kein Entrinnen.
Diese Hilflosigkeit erfährt eine Frau, deren Mann schon verstorben ist und deren einziger Sohn, der eben verstarb, nun aus der Stadt geschafft wird, um ihn nach jüdischer Sitte noch am selben Tag zu beerdigen.
Der Tod des einzigen Sohnes ist für eine Witwe damals die absolute Katastrophe. Sie steht nun alleine einer Männerwelt gegenüber, in der sie keinen Fürsprecher mehr hat. Wie soll es mit ihr weitergehen? Wie kann sie ohne ihren Sohn ihr Leben bestehen?
Im Evangelium wird Jesus als „der Herr“ angesprochen. Es heißt im Vers 13: „Als der Herr die Frau sah, hatte er Mitleid mit ihr und sagte zu ihr: ‚Weine nicht!‘“
Mit: „der Herr“ ist immer der Auferstandene gemeint, Jesus, der durch den Tod hindurch, auferweckt zur Herrlichkeit nun als der auferstandene Christus Gottes verehrt wird.
Er hat die Macht des Todes gebrochen, und allen, die glauben, Anteil an seiner Auferstehung gegeben. Er ist der Herr, der Macht hat, Tote zu erwecken. So erfüllt sich in ihm, was der Prophet Jesaja als Zeichen des kommenden Reiches kundtat: „Blinde sehen wieder, Lahme gehen, und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt."
Ausdrücklich weist Lukas im nächsten Abschnitt darauf hin, liefert uns so eine Begründung für das heilvolle Wirken Jesu, dessen Wunder und Heilungen Lukas sehr ausführlich belegt.
Das ganze Augenmerk Jesu gilt im heutigen Evangelium der Witwe.
Für Jesus ist sie wichtig, weil sie durch den Tod ihres einzigen Sohnes hilflos, ohnmächtig, ohne Lebensperspektiven ist. Das Leid des Menschen ist für ihn der Anstoß für sein Wirken; die Not der anderen nimmt er wahr, und setzt sich dafür ein, dass die Not dieser leidenden Menschen überwunden wird.
In der Erzählung geht es darum, der alleinstehenden Frau beizustehen, ihr den Sohn wieder zu geben, der ihr rechtlich den Schutz in der damaligen Gesellschaft gewährleistet, und sozial und wirtschaftlich das Leben sichert. Und es geht darum darauf aufmerksam zu machen, dass sich im heilvollen Wirken Jesu das kommende Reich Gottes deutlich ankündigt, in dem alle Tränen und jedes Leid überwunden werden, ja selbst dem Tod die Macht über das Leben genommen wird.
So besehen will uns das Evangelium Hoffnung schenken, will uns deutlich machen, dass wir uns vor dem Leiden und vor dem Tod nicht ängstigen brauchen, denn in Jesus Christus haben wir einen, der durch Leiden und Tod hindurch auferstanden ist; und der auch uns mit hinein nimmt in seine Auferstehung.
Diese Auferstehungshoffnung macht uns fähig und bereit, dem Leiden und Sterben hier und heute nicht auszuweichen.
Christen können Menschen beistehen und sie begleiten, die solch Schweres durchstehen müssen. Was eine Katastrophe in den Augen der Welt ist, da für sie mit dem Tod alles aus scheint, stellt sich als eine Herausforderung für uns Christen dar, die gerade im Dienst an leidende und sterbende Menschen deutlich bekennen, dass ihre Auferstehungshoffnung die zeitliche Begrenzung zwischen Geburt und Tod überschreitet: Mit dem Tod ist eben nicht alles aus! Sondern im Tod bekennen wir unsere Hoffnung auf die Auferstehung von den Toten, die uns in Jesus Christus ein für allemal geschenkt wurde.
Die Auferstehungshoffnung gibt uns eine andere Perspektive.
Wir sehen mit anderen Augen die gleiche Wirklichkeit.
Für Menschen, die in der Zeit verhaftet bleiben, ist der Tod des geliebten Menschen und dann auch der eigene Tod die absolute Katastrophe: Denn mit dem Tod ist für sie alles aus. So glauben sie. Und so leben sie.
Wir Christen glauben und bekennen uns zur Auferstehung, zum Leben, das durch Leiden und Tod hindurch bestehen wird und in Gott seine ganze Erfüllung, seine Vollendung erfahren wird.
Wir Christen glauben und bekennen, dass auch das Leiden hier in dieser Welt zum Leben dazugehört. Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wenn Menschen leiden, sondern sind – wie es uns der Herr ja vorgelebt hat – dazu berufen, ja verpflichtet den leidenden Menschen beizustehen. Es steht uns aber nicht zu, so zu leben, als ob es das Leid nicht gäbe, und Menschen, die leiden, auszugrenzen und abzusondern.
Wir Christen glauben und bekennen, dass unser leidgeprüftes Leben und dann auch unser Sterben tiefere Einsichten schenkt, als es uns die ständig lärmenden, oberflächlichen Werbespots der Seifenoper, die uns auf allen Kanälen täglich geboten werden, vorgaukeln.
Lassen wir uns doch nicht für dumm verkaufen, sondern halten wir am Bekenntnis der Auferstehung fest, das uns einlädt und herausfordert schon hier und heute ein Leben zu führen, wie es uns der Herr vorgelebt hat: „Blinde sehen wieder, Lahme gehen, und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet.
Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt."
Eine gute Woche wünscht Ihnen und Ihren Angehörigen
Ihr Nikolaus Hegler, Pfarrer